Kritik zu Camino a La Paz

Trailer OmU © imFilm

Auf 3000 km zwischen Buenos Aires und La Paz erlebt ein Fahrer mit seinem muslimischen Fahrgast eine spirituelle Entdeckungsreise:
In diesem Regiedebüt geht der aus »Die Reise des jungen Che« bekannte Rodrigo de la Serna erneut auf große Fahrt

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Der Fahrer Sebastián (Rodrigo de la Serna) fragt seinen Kunden Khalil (Ernesto Suárez), ob er rauchen dürfe, was dieser ablehnt. Als der Alte dann eine seiner drei täglichen Knoblauchzehen kaut, beschwert sich Sebastián über den Geruch und zündet sich eine Kippe an. Trotzdem gibt Khalil diesem unleidlichen Typ schließlich den Auftrag, ihn von Buenos Aires ins 3000 km entfernte La Paz zu fahren. Etwas, so folgert man, sieht Khalil in diesem schroffen Taugenichts, etwas zieht auch den ziellosen Sebastián zu dem gebrechlichen Alten hin. So entwickelt sich aus einer zufälligen Begegnung ein Roadmovie, dessen läuternde Botschaft naturgemäß formelhaft ist.

Der Weg zum Ziel steht unter ungewohnt religiösen Vorzeichen – nicht nur, weil die Songs der argentinischen Rockband »Vox Dei« Sebastiáns Lebensmotor sind. Khalil, ein frommer Muslim, will in La Paz seinen Bruder treffen, um mit ihm nach Mekka zu pilgern. Sein Einfluss auf Sebastián, den er dazu bringt unterwegs allerlei Gestrandete mitzunehmen, die Begegnung mit Khalils freundlichen Verwandten und seine gottergebene Coolness angesichts des Verlusts fast allen Besitzes auf dieser Reise, erscheinen als Beweise eines menschenfreundlichen Glaubens. Regisseur Francisco Varone will in seinem Regiedebüt einen Kontrapunkt zur Assoziation von Muslimen mit Gewalt und Terror setzen. Khalil ist ein Sufi-Anhänger und wird mit seinen etwas zu Paolo-Coelho-haften Parabeln zum spirituellen Mentor seines Fahrers.

Mag die Absicht gelegentlich aufdringlich wirken – man kann durchaus fragen, ob eine ebenso harmonieselige Schilderung christlich oder buddhistisch geprägter Güte nicht automatisch unter Kitsch- bzw. Esoterikverdacht fallen würde –, so gewinnt die Beziehung jedoch auf einer Vater-Sohn-Ebene auf unprätentiöse Art Glaubwürdigkeit. Rodrigo de la Serna (»Die Reise des jungen Che«) als Sebastián blickt wie ein verlorener Welpe, der, Khalil nachlaufend, zu dessen Beschützer heranwächst; der 75-jährige Theaterschauspieler Ernesto Suárez, der mit der Rolle eines kinderlosen, nierenkranken Seniors sein Leinwanddebüt feiert, ist eine späte Entdeckung. Es ist nicht die immer wilder werdende Umgebung, die dieser Reise Spannung verleiht, sondern das Schauspiel der Annäherung der beiden Männer. Musikalisch wird die Entwicklung durch den Wechsel von »Vox Die«-Rocksongs zu einem repetitiven orientalischen Sound, der dieser Fahrt durch eine endlose Landschaft etwas Erdenthobenes verleiht, untermalt.

Diese Männerromantik funktioniert allerdings nur durch das weitgehende Ausblenden der dazugehörigen Frauen. So ist es nicht – wie in Khalils Parabeln suggeriert – die überlegene göttliche Weisheit, die den Männern aus ihren Bredouillen hilft. Es sind die zurückgebliebenen Frauen, die klaglos Geld überweisen (abgesehen von funktionierenden Telefonen und Krankenhäusern mit Dialyse-Apparaten). Weibliche Wesen, ob mit oder ohne Kopftuch, sind so sanft, dienend und verzeihend, dass man sich fast in einen alten Wim Wenders-Film versetzt fühlt.

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