Kritik zu Blick in den Abgrund

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Niemals neben einem Lieferwagen parken: Die österreichische Dokumentar­filmerin Barbara Eder besucht ausgewiesene Profiler, die in den USA, Europa und Afrika ­ihrem düsteren Geschäft nachgehen

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Niemand kann sicher definieren, was Gewalt eigentlich ist, räumt ein Kriminalist ein, dem Barbara Eders Film Blick in den ­Abgrund über die Schulter schaut. Der Dokumentarfilmessay begleitet eine Handvoll internationaler Spitzenkräfte, die als Psy­chologen, Psychiater und Ermittler in Polizeidiensten mit grausamsten Mordfällen konfrontiert sind und sich die Grundfrage immer neu stellen müssen. Serielle Morde und bizarre Tötungsarten, Einzelfallanalysen und Grundlagenforschung sind das Brot der Profiler, ganz so wie man es aus Das Schweigen der Lämmer kennt und wie es seither zum Alltagsgeschäft der Krimiproduktion gehört.

Robert R. Hazelwood und Roger L. Depue, die FBI-Ruheständler, einst die Vorbilder für Jodie Foster und Scott Glenn in Das Schweigen der Lämmer, deuten die Differenz zwischen Kino und Realität an. Die Nähe zur absurden Gewalt wirkt lebenslang in der eigenen Psyche nach. Der eine zog sich zeitweise in ein Kloster zurück, der andere perfektioniert seine Paranoia mit praktischen Tipps: Niemals neben einem Lieferwagen parken, weil die das bevorzugte Transportmittel von Entführern sind! Blick in den Abgrund porträtiert unterschiedliche Typen und Berufsbilder in Finnland, den USA, Südafrika und Deutschland. Trotz der skizzierten Besonderheiten im gesellschaftlichen Umfeld stellen sich bei allen dieselben Fragen: Was löst die Einfühlung ins Denken von Serienmördern in ihrer Psyche aus? Sehen sie Gemeinsamkeiten mit der Welt der Täter? Welche Menschenbilder schließen sie aus den Puzzleteilen ihrer Profile? Wie halten sie die lauernde Präsenz der Gewalt, die Sisyphos-Anstrengung ihrer Arbeit aus?

Die Finnin Helinä Häkkänen-Nyholm fragt sich auch beim Fischen und in der Sauna mit ihrem Mann, was das Phänomen von zwanzig Einstichen um die Augen eines Mordopfers über den Täter aussagt. Ihr südafrikanischer Kollege Gérard N. Labuschagne erläutert abgeklärt, dass er in elf Jahren 180 Serienmorde und Serienvergewaltigungen aufklären musste. Die amerikanische Psychiaterin Helen Morrison forscht seit vierzig Jahren nach dem Killergen. Jedes Gespräch im Hochsicherheitstrakt wühlt die Lady derart auf, dass sie das Alleinsein braucht, bevor sie zu ihrer Familie zurückkehrt. Besessen versucht sie, die Behörden zu überzeugen, dass Elektrodentests die Gehirnimpulse orten könnten, die Gewalt auslösen – frustrierend nur, dass ihr Forschungsansatz verboten ist und selbst ihr Mann, ein Neurochirurg, das Experiment am Menschen ablehnt.

Barbara Eder setzt ausgefeilt ästhetische Bilder gegen den Horror der Fallbeispiele. Das finnische Meer scheint ebenso viel Schrecken vor menschlichen Abgründen zu schlucken wie der grüne Rasen um Robert Hazelwoods Landhaus. Der Fluss der Selbstreflexionen ist in episodische Abläufe eingebettet, die wie elegant versteckte Scripted Reality wirken. Die österreichische Dokumentaristin recherchierte den Alltag der Profiler, drehte Tatortbegehungen, Aktenstudien und Prozess­berichte, bevor sie die deprimierende Kon­frontation mit der Gewalt durch Elemente einer beinahe kontemplativen Nachinszenierung abfederte.

Meinung zum Thema

Kommentare

wieso gibt es diesen Film NIRGENDS zu sehen, das ist unglaublich nervig. Überall sind man Den Trailer, Kritiken, Artikel...well fuck aber kein film?!

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