Kritik zu Berlin Rebel High School – Nur das Ziel ist im Weg

© Neue Visionen Filmverleih

2017
Original-Titel: 
Berlin Rebel High School – Nur das Ziel ist im Weg
Filmstart in Deutschland: 
11.05.2017
L: 
92 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Alexander Kleider (»My Home is my Castle«) porträtiert eine Berliner Alternativschule für junge Erwachsene, indem er sechs Schüler bis zum nachgeholten Abitur begleitet

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Erfunden wurde sie in den (nur scheinbar idyllischen) Zeiten, als »alternativ« noch eine linksdemokratisch besetzte Auszeichnung war. Da war die 1973 aus dem Streik gegen das autoritäre Regime an einer privaten Bildungsanstalt gegründete »Schule für Erwachsenenbildung« ein heißer Tipp für nach Berlin abgehauene Schulabbrecher und -verweigerer aus der bundesrepublikanischen Provinz. Denn gegenüber anderen Einrichtungen des sogenannten zweiten Bildungsweges gab es bei der SFE (fast) keine Vorbedingungen für die Aufnahme. Dafür aber viel Offenheit und basisdemokratische Selbstverwaltung. Autonome Finanzierung durch egalitäre Schulgebühren und ein Einheitsstundenlohn für die Lehrer garantierten Unabhängigkeit von offiziellen Institutionen. Einzige Verbindungsstelle nach dort waren die externen Prüfungen bei einer staatlichen Prüfungskommisssion, mit denen die Eleven und Elevinnen nach zwei oder drei Jahren die Mittlere Reife oder das Abitur erlangen konnten.

Und noch können. Denn im Unterschied zu vielen anderen Projektgründungen jener Zeit hat die SFE fast unverändert bis heute überdauert. So war es eigentlich überfällig, die trotz des ehrwürdigen Alters gar nicht gediegene Bildungsstätte auch filmisch zu verewigen. Das hat jetzt der Filmemacher Alexander Kleider – selbst SFE-Absolvent des Abijahrgangs 2000 – getan. Ins Zentrum von »Berlin Rebel High School« stellt er sechs ausgewählte Schülerinnen und Schüler, die im regulären Schulsystem gescheitert sind. Nun wollen sie es – mittlerweile in den Zwanzigern – noch einmal versuchen und werden in einer der schulüblichen Vollversammlungen und einer Führung in das permanent neu ausgehandelte Regelwerk und die graffitidekorierten Räume der ehemaligen Fabriketage im Kreuzberger Mehringhof eingeführt.

Es folgen drei gemeinsame Jahre bis zur Abiprüfung, deren Darstellung Kleiders Film in drei Kapiteln an die von Beate Ulreich vom Schulbüro humorvoll vorgestellten SFE-Lernphasen von »Begeisterung« über »Ernüchterung« zur »produktiven Panik« anlehnt. Konkret: Aufgeräumte Lernpartys münden in spätjugendliche Lethargie und sommerbedingte Massenabwesenheiten, große Pläne schrumpfen zum kleinen Erfolgserlebnis. Und auch untereinander quietscht es. Denn die Schülerschaft ist, wen wundert's, ein ausgesuchtes Völkchen von Ultra-Individualisten.

Kongenial zu seinem Sujet führt Kleider im flippigen Stilmix mit viel Musik durch das Terrain, das Heimreisen und Hausbesuche (es lebe die Raviolidose!) einschließt. Das Ergebnis oszilliert zwischen fast satirischen Einblicken in die Macken einer zeitlos scheinenden Subkultur und emphatischem Plädoyer für die Anstrengungen gelebter Demokratie. Und es ist eine Hommage an die Lehrerinnen und Lehrer, die im leidenschaftlichen Engagement für das Konzept und ihre Schüler bei einem Stundenlohn von heute 12 Euro fünfzig brutto ziemlich sicher der Altersarmut entgegenrutschen, dafür aber Sinnhaftigkeit und Selbstbestimmung bekommen.

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