Kritik zu Auf der Suche nach einem Freund für das Ende der Welt

© Universal Pictures

Im Angesicht der Apokalypse findet Regiedebütantin Lorene Scafaria erhellende und bewegende Antworten auf die Frage, worauf es im Leben ankommt – verkörpert von einem melancholischen Steve Carell und einer skurrilen Keira Knightley

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Was hat noch Bedeutung, was zählt wirklich in den letzten Tagen und Stunden? Für Penny (Keira Knightley) ist es die Musik. Als eine Horde Plünderer über ihr Viertel herfällt und sie eilig ihre Wohnung verlassen muss, lässt sie leichten Herzens alles zurück, sogar ihren Exfreund, um den es nicht schade zu sein scheint. Nur ihre Schallplatten nimmt sie mit, wenigstens die wichtigen – John Cale, Lou Reed. Und Herb Alpert. Das hat natürlich überhaupt keinen Sinn. Aber was hat schon Sinn im Angesicht der Apokalypse?

Die Musik spielte bereits in Lorene Scafarias Drehbuch zu »Nick und Norah – Soundtrack einer Nacht« die Titelrolle, und auch in ihrem bittersüßen Regiedebüt sind Rocksongs von eminenter Bedeutung, vor allem die Hits der 60er und 70er. Gleich am Anfang, wenn im Radio über das Scheitern der letzten Rettungsmission berichtet, der Aufprall eines gigantischen Asteroiden und damit das Ende des menschlichen Lebens angekündigt wird, erhält ein Beach-Boys-Klassiker ganz neue Bedeutung: »Wouldn't it be nice if we were older?« Und am Ende, wenn Dodge (Steve Carell) die übrig gebliebenen LPs aus Pennys Sammlung durchstöbert, wird auch die Einsamkeitshymne der Walker Brothers um eine zusätzliche Dimension erweitert: »The sun ain't gonna shine anymore.«

Dazwischen entfaltet sich ein eigenwilliger, eigenartiger Endzeitfilm, den man als bodenständige »Melancholia«-Variante bezeichnen könnte und der entfernt an »Miracle Mile« erinnert, ein ähnlich bedrückend-berückendes Szenario aus den 80ern. Im Zentrum steht Carells Dodge: ein braver Versicherungsverkäufer, der zu Beginn wortlos von seiner Frau verlassen wird, die offenbar andere Pläne hat, als ihre letzten drei Lebenswochen mit diesem Mann zu verbringen. Carrells Präsenz und der schwarzhumorige Ton dieses Auftakts lassen eine eher leichte Komödie erwarten, Scafaria jedoch hat anderes im Sinn. Mit großer Ernsthaftigkeit spielt sie zunächst das Gedankenexperiment durch, wie sich die Menschheit angesichts des bevorstehenden Untergangs verhalten würde. Das reicht von Selbstmorden über Aggressionen bis zum losgelösten »Anything goes«, und in genau diesem Spektrum bewegt sich auch die Tonlage der Erzählung. Wenn Dodge und Penny, die sich kaum kennen, dann auf ihren Roadtrip gehen, er auf der Suche nach einer verlorenen Liebe, sie um zur Familie zurückzukehren, wird daraus allmählich eine traurig-schöne romantische Komödie.

Nicht alle Szenen treffen dabei ins Schwarze, und überhaupt lässt Scafarias Drehbuch einige Fragen offen. Unterwegs wirkt die Welt seltsam ausgestorben, als hätte die Katastrophe bereits stattgefunden, und das durchaus glaubwürdige Chaos in der Nachbarschaft der beiden Protagonisten scheint nur dem Zweck zu dienen, die beiden auf die Reise zu schicken. Die zentrale Metapher – wie gehen wir mit der Zeit um, die uns bleibt, und warum fällt es uns so schwer, das »richtige« Leben zu leben – aber transportiert dieses stets überraschende, immer gefühlvolle Independent-Kleinod sehr überzeugend. Steve Carell, der Melancholiker unter den US-Komikern, erweist sich dabei erneut als subtiler Darsteller und als grandiose Verkörperung des unscheinbaren Jedermanns.

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