Kritik zu Amelie rennt

© Farbfilm Verleih

Eine schwer asthmakranke Göre aus Berlin büxt aus der Südtiroler Klinik aus. In den Bergen wächst sie über sich hinaus und findet in dem jungen Milchbauern Bart einen Begleiter, der so ganz anders ist und ihr doch die Augen öffnet

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Es ist nun wirklich nicht ungewöhnlich, dass Erwachsene die Faszination von manchem Kinder- oder Jugendfilm nicht zu erfassen vermögen – zu schrill, zu bunt, zu albern und manchmal auch einfach mit zu viel logischen Brüchen. Umso besser, dass nicht nur an den Kinokassen, sondern auch in Kinderjurys über die Qualität genau solcher Filme entschieden wird. Für sie sind die Filme schließlich gemacht. Bei »Amelie rennt« fiel das Urteil sehr eindeutig aus: Mehrfach wurde er als bester Film nominiert. Da ist es nicht wichtig, dass Amelie (Mia Kasalo) und ihr Begleiter Bart (Samuel Girardi) mindestens zwei Tage mit Ausnahme von ein paar Beeren nichts essen, dass Amelie die Strecke in ihren Boots mit Absätzen problemlos meistert, ganz zu schweigen von ihrer schweren Asthmaerkrankung, die ihr zwar beim Bergaufstieg zu schaffen macht, sie aber nicht etwa stoppt. Geschenkt, denn in »Amelie rennt« geht es um Freundschaft, um die Kraft über sich hinauszuwachsen, um Gefühle und um Krankheit.

Amelie lebt in Berlin, mal bei ihrer Mutter (Susanne Bormann), mal bei ihrem Vater (Denis Moschitto), womit ihre Eltern glücklicher sind als sie selbst, wie sie sehr viel später voller Wut und Traurigkeit in die Südtiroler Alpen brüllen wird. Die 13-Jährige hat immer einen rotzigen Spruch auf den Lippen. »Wenn ich fluche, merke ich, dass ich noch atme«, sagt sie einmal voller Groll und Verzweiflung zu Bart. Nach einem schweren Anfall lässt der Arzt keine Zweifel daran, dass nun nur noch ein stationärer Aufenthalt in einer Spezialklinik helfen kann.

Also machen sich Vater, Mutter, Kind auf nach Südtirol: Die Mutter immer etwas aufgeregt, besorgt, der Vater lustig, lässig, das Kind gelangweilt, aufmüpfig. Klar ist das ein Klischee, was vermutlich genau deswegen so gut funktioniert, weil viele Kinder genau diese Rollenverteilung nur allzu gut kennen. An der Klinik angekommen, ist Amelie bereits abgehauen, bevor die Eltern aus dem Auto gestiegen sind. In einem naheliegenden Kuhstall trifft sie auf den 15-jährigen Bart, der mal auf Italienisch parliert, mal im schönsten Südtiroler Deutsch und sich als »Herdenmanager« vorstellt. Die beiden bekabbeln sich verbal ein wenig, dann taucht Amelies Vater auf, der sie in die Klinik bringt.

Da hatte die gestrenge Leiterin (Jasmin Tabatabai) die Eltern bereits ins Gebet genommen und sie mit Wäscheklammern auf der Nase erfahren lassen, wie sich das Atmen für Amelie anfühlt. Amelie bezieht widerwillig ihr Zimmer, das sie sich mit der pummeligen Steffi teilt. Sie stellt gleich zu Beginn klar: »Ich bin nicht deine Freundin.« Wenig später haut sie wieder ab, läuft den Berg hoch und trifft wieder auf Bart. Voller Verantwortungsgefühl begleitet er Amelie auf ihrer wahnwitzigen Tour zum Gipfel.

Allzu Überraschendes hält das Wander-Road-Movie nicht bereit, dafür zwei großartige Hauptdarsteller, die atemberaubende Kulisse der Dolomiten und die fein arrangierte Musik von Tobias Kuhn. Dazu inszeniert Regisseur Tobias Wiedmann derart witzig und zugleich einfühlsam, dass der ein oder andere Bruch schnell verziehen ist.

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