Kritik zu Up in the Air

© Paramount Pictures

Wenn es nicht so witzig wäre, kämen einem die Tränen: Jason Reitman (»Juno«) schickt George Clooney als Job-Terminator auf Endlosflugreise durch die USA – der Film zur aktuellen Wirtschaftskrise

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Sein Job ist es, andere aus ihrem Job zu entfernen. In Krisenzeiten wie den jetzigen, wenn Entlassungen – euphemistisch »Freistellungen« genannt – zum Sanierungsprogramm der Firmen werden, hat er Hochkonjunktur. 322 Tage im Jahr jettet er von Ort zu Ort, von Unternehmen zu Unternehmen, um im Auftrag einer Consulting-Firma die lästigen Entlassungsgespräche zu führen: »Ich arbeite für eine Firma, die mich an Feiglinge verleiht, die nicht den Mut haben, ihre Angestellten zu feuern. Und das aus gutem Grund. Leute machen verrückte Sachen, wenn sie rausgeschmissen werden!«

Er heißt Ryan Bingham, und George Clooney spielt diesen ultimativen Zyniker mit solch hinreißender Lässigkeit und Präzision, dass er beinahe sympathisch wird. Clooney in Bestform, und Regisseur Jason Reitman legt mit seinem dritten Spielfilm – nach seiner pfiffigen Komödie über einen Lobbyisten der Zigarettenindustrie »Thank You For Smoking« und dem Überraschungshit »Juno« – hier seine gelungenste Arbeit vor. Aus der Romanvorlage, dem Bestseller »Der Vielflieger« von Walter Kirn, formt Reitman eine Komödie, die mit pointiertestem Dialogwitz aufwartet, bei der es aber die in Hollywoodkomödien üblichen Versöhnungsstrategien und Sentimentalitäten nicht gibt. Bei der es auch eigentlich nichts zu lachen gibt. Wie kann man über jemanden lachen, der dabei hilft, Existenzen zu vernichten?

Der Witz ist: Ryan liebt seinen Terminatorjob, weil er den anonymen, abgehobenen Vielfliegerlebensstil, der damit verbunden ist, liebt. Er bewohnt zwar – 42 Tage im Jahr – irgendwo in Omaha, Nebraska, ein aseptisches Apartment, wenn er aber im First-Class-Abteil des Flugzeugs sitzt und gefragt wird, wo er zu Hause sei, antwortet er: »Hier!« Er zieht sein Handgepäckköfferchen hinter sich her, ist glücklich damit, hält sogar Vorträge bei Selbsthilfeseminaren, in denen er erklärt, wie und warum man »den Rucksack seines Lebens« möglichst leichtgewichtig halten sollte.

Ryan will kein »richtiges« Zuhause, keine Beziehung, keine familiären Bindungen. Er ist der total mobile Angestellte, der seine businesskonforme Bindungslosigkeit als Lebensideal predigt. Wenn er bei seinen Flugreisen auf die hübsche Alex (Vera Farmiga) trifft, freut er sich, in ihr eine Gleichgesinnte gefunden zu haben, die ausruft: »Macht Sie der Anblick einer VIP-Karte auch so scharf?« Er steigt mit ihr ins Bett, aber so etwas wie eine feste Beziehung darf daraus nicht entstehen. Der »menschliche Kontakt« bleibt auf dem One-Night-Stand-Level.

Es kommt der Augenblick, in dem Ryans Job in Gefahr gerät. Die 23-jährige, ehrgeizige Natalie (Anna Kendrick) wird von Ryans Chef (Jason Bateman) engagiert, um einige Neuerungen durchzusetzen. Könnte man nicht die Entlassungsgespräche per Videokonferenzschaltung führen? Das würde die kostspieligen Flugreisen überflüssig machen. Ryan erschrickt, darf aber zuerst noch die junge Kollegin auf einige Flüge mitnehmen und ihr stolz seine Routine vorführen. Beim Einchecken im Terminal und bei den Entlassungsgesprächen, die er versiert mit Trostformeln wie »Betrachten Sie Ihre Entlassung nicht als Tragödie, sondern als Chance« garniert.

Natalie gerät mit ihren Karriereambitionen ins Taumeln, als sie erkennt, welches Leben Ryan führt: »Sie haben Ihr Leben so arrangiert, dass es unmöglich für Sie ist, irgendwelche menschlichen Bindungen zu haben.« Das irritiert Ryan ein wenig, er verlässt seine Route und fährt zur Hochzeit seiner Schwester. Dort nimmt er deren Bräutigam, der plötzlich kalte Füße bekommen hat, beiseite und überzeugt ihn vom Sinn der ehelichen Bindung mit den Worten: »Jeder braucht einen Kopiloten!« Woran er selber gar nicht glaubt. Und schon ist er wieder in seinem zynischen Element.

Für einige der Entlassungsgespräche hat Jason Reitman Laien engagiert, die real aus ihren Jobs geflogen sind. Das führt zu Momenten einer beklemmenden, unter die Haut gehenden Direktheit. Eine Komödie, die es wagt, den Blick auf den peinigendsten Aspekt der gegenwärtigen ökonomischen Krise zu richten. Ausgezeichnet mit einem Golden Globe für das beste Drehbuch darf sich »Up in the Air« auch bei den Oscars einige Chancen ausrechnen. Zu Recht.

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