Kritik zu 96 Hours

© 20th Century Fox

Ein weiterer Film aus der Action-Factory von Luc Besson, der genau das hält, was er verspricht: Auf der Jagd nach den Entführern seiner Tochter stellt Liam Neeson als Ex-Spezialagent ganz Paris auf den Kopf

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Es kommt nicht mehr allzu oft vor, dass der Werbespruch eines Plakats tatsächlich die komplette Handlung eines Films zusammenfasst. Auf dem Poster zu »96 Hours«, dem neuen Film aus der Action-Factory von Luc Besson, heißt es: »Sie nahmen ihm seine Tochter. Er wird sie jagen. Er wird sie finden. Er wird sie töten.« Und genau das tut der von Liam Neeson gespielte Ex-C.I.A.-Agent auch, nachdem Mädchenhändler seine 17-jährige Tochter in Paris entführt haben: Er fliegt in die Stadt der Liebe und macht bis zum Schluss keine Gefangenen.

Die Simplizität ist gleichwohl Konzept. Besson, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, und sein Regisseur, der virtuose Kameramann Pierre Morel, führen konsequent vor, dass es keine exotischen Drehorte à la Bond und keine pseudo-komplexen Storys à la Bourne braucht, um einen erstklassigen Actionfilm vorzulegen. Wie schon in seinen eigenen Regiearbeiten (man denke nur an »Leon, der Profi«) sowie den von ihm geschriebenen »Transporter«-Filmen kultiviert Besson auch in »96 Hours« eine Art »Action-Existenzialismus «: Er reduziert Story, Spielort und Charaktere auf das Allernotwendigste und schickt seine überaus präsente Hauptfigur durch ein martialisches Fegefeuer. Die Handlung wird durch fortwährende Action vorangetrieben, die bei aller Brutalität im besten Sinne altmodisch wirkt. Als ehemaliger Kameramann verfügt Morel über ein außerordentliches Gespür für Räume und Perspektiven, und anders als in vielen zeitgenössischen amerikanischen Produktionen behält man in »96 Hours« selbst bei den wildesten Gefechten stets den Überblick über das Geschehen.

Hauptdarsteller Liam Neeson erweist sich dabei als wahrer Glücksgriff. Nachdem andere Filmemacher Neesons eindrucksvolle Körperlichkeit und seine tiefe, stets souverän klingende Stimme vor allem genutzt haben, um historischen Gestalten wie Oskar Schindler, Rob Roy oder Michael Collins die nötige Autorität zu verleihen, verknüpfen Besson und Morel nun das Gewicht dieser Darsteller-Historie mit Neesons ungeahntem Talent als knallharter Actionheld. Wie eine Mischung aus »Terminator« und Lee Marvins Walker in »Point Blank« schreckt er buchstäblich vor nichts zurück, um sein Kind zu finden – nur dass er anstelle von Marvins legendärem »Where's my money?!« ein ebenso furios gebelltes »Where's my daughter?!« zwischen den Zähnen hervorpresst, bevor er jemandem das Genick bricht oder unter Strom setzt.

Natürlich muss man bei Neeson mit seiner Lederjacke, seinem körperbetonten Spiel und seiner souveränen Art, Pariser Kleingangster unter Druck zu setzen, auch an Belmondo denken, dessen beinharte 70er-Jahre-»Policiers« wie Angst über der Stadt ohnehin einen großen Einfluss auf die Actioner aus der Besson-Factory gehabt haben dürften. Wie in den Belmondo-Filmen ist Paris auch hier kein beschauliches Touristenziel, sondern eine finstere Metropole des Verbrechens. Mit Filmen wie »96 Hours« greift Besson praktisch im Alleingang die Tradition des europäischen Thrillers (Delon! Ventura!) auf. Wir können nur hoffen, dass andere nachziehen.

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