Kritik zu 5 Jahre Leben

© Zorro

2013
Original-Titel: 
Kurnaz – Fünf Jahre Leben
Filmstart in Deutschland: 
23.05.2013
M: 
L: 
96 Min
FSK: 
12

Das Schicksal des 19-jährigen Deutschtürken Murat Kurnuz, der nach dem 11. September in Pakistan festgenommen und fünf Jahre lang im Gefangenenlager Guantanamo festgehalten wird – in ein packendes Spielfilmdrama verwandelt

Bewertung: 4
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Eine empörende Geschichte: Sie handelt von einem jungen Mann deutsch-türkischer Herkunft, der nach dem gewaltsamen Tod seines Freundes eine neue Perspektive in seinem Leben sucht und diese im Islam findet. Als er nach Pakistan reist, um sich näher mit dem Glauben zu beschäftigen, wird er – nach dem Terroranschlag vom 11. September – verhaftet und schließlich in das Gefangenenlager Guantanamo gebracht. Erst nach fünf Jahren, in denen man ihm auch in ausgiebigen Verhören keine Verbindungen zum islamistischen Terrorismus nachweisen kann, wird er freigelassen. Dies ist die Geschichte von Murat Kurnaz, die nicht nur in Deutschland für Schlagzeilen sorgte, nicht zuletzt im Zusammenhang mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die Frage beantworten sollte, ob die damalige Bundesregierung wirklich etwas unternommen hat, diesen deutschen Staatsangehörigen aus amerikanischer Haft freizubekommen. Diese Geschichte ist angetan, Empörung hervorzurufen, könnte also den Stoff für einen hochemotionalen Film jener Art liefern, wie sie uns die Produktionsfirma Teamworx schon oft genug als »Events« im Fernsehen präsentiert hat. Glücklicherweise ist 5 Jahre Leben ganz anders geworden.

Der Film beschränkt sich auf die ersten zwei Jahre von Kurnaz’ Zeit in Guantanamo und verdichtet sie auf die Verhöre durch einen einzigen Mann. Es ist geradezu ein klassisches Psychoduell, das Kurnaz und der amerikanische Verhörspezialist Gail Holford hier ausfechten. Wo Holford die ganze Palette von verständnisvoll über manipulativ bis hin zu direkten Drohungen aufbietet, hat Kurnaz dem nur das Gefühl seiner Unschuld und den daraus resultierenden Überlebenswillen entgegenzusetzen. Kurnaz’ Zelle, zunächst ein  Gitterverschlag, der ihm Gespräche mit wechselnden Zellennachbarn erlaubt (die zum Teil auch auf ihn angesetzt sind), wird später in der Isolationshaft durch eine mit gekacheltem weißem Boden und drei ebensolchen Wänden ersetzt, wo er durch die durchsichtige vierte Wand vom Wachpersonal beobachtet wird – gelegentlich mit laut aufgedrehter Musik beschallt, permanentem Neonlicht oder wechselnden Kälte- und Hitzeströmen ausgesetzt.

Eingeschobene Rückblenden zeigen Kurnaz zu seiner Zeit in Bremen, die Ermordung seines Freundes und seinen darauf folgenden Sinneswandel, die Auseinandersetzungen mit seiner Clique und seinen Eltern und seine Kontakte zu Serdal, von dem später Holford behaupten wird, er sei ein Terrorist, der Murat rekrutieren sollte. Ob das wahr, eine Teilwahrheit oder aber pure Erfindung ist, lässt der Film offen, wie so manches andere. Der Film endet mit der Entlassung von Kurnaz und dem eingeblendeten Schriftzug, dass keine der ihm zur Last gelegten Anschuldigungen bewiesen werden konnte. Dann sieht man noch den echten Kurnaz (vollbärtig) bei »Beckmann« und, in der allerletzten Einstellung, in einem Homemovie bei seiner Hochzeit (bartlos).

Dieses letzte Bild signalisiert eine große Nähe zum Protagonisten. Dass dennoch die Emotionen eher heruntergespielt werden, macht die Qualität von 5 Jahre Leben aus. Sieben Jahre nach Kurnaz’ Freilassung ist Guantanamo übrigens noch immer nicht geschlossen.

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