Kritik zu The Killing of a Sacred Deer

© Alamode

Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos mischt in seinem neuen Film griechische Tragödie und Horrorfilmgenre, indem er einen von Colin Farrell gespielten Herzchirurgen vor ein grausames Dilemma stellt: Wegen eines eventuellen Kunstfehlers einen Sohn oder die ganze Familie zu opfern

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Ein Mann in seinen Vierzigern und ein etwa sechzehnjähriger Junge schlendern gemeinsam ein einsames Flussufer entlang; verwandt sind sie nicht. Sie tauschen einige Belanglosigkeiten aus, wirken distanziert, aber gleichzeitig auch merkwürdig vertraut miteinander. Am Ende drückt der Mann dem Jungen ein Geschenk in die Hand: eine teure Armbanduhr. Man weiß nicht viel über das Verhältnis der beiden zu Anfang von Yorgos Lanthimos' neuem Film »The Killing of a Sacred Deer«, aber unweigerlich fragt man sich, ob es sich um eine sexuelle Beziehung handelt. Der für seine abgründigen Filme bekannte griechische Regisseur legt diese falsche Fährte deutlich und mit voller Absicht aus, nur um sein Publikum anschließend langsam aber sicher in viel unklarere, düstere Gefilde zu führen.

Bei dem Mann handelt es sich um Steven Murphy (Colin Farrell), einen Herzchirurgen, bei dem jungen Begleiter um seinen Protegé Martin (Barry Keoghan). Martins Vater ist bei einer von Steven durchgeführten Operation ums Leben gekommen, seitdem hat sich der gefeierte Arzt dem schüchternen Jungen als väterlicher Freund angenommen. Lanthimos nimmt diese folgenschwere Operation als Ausgangspunkt für seinen Film: Die wuchtige erste Einstellung ist eine lange Aufnahme eines (echten) schlagenden Herzens, an dem gerade operiert wird. Auch nach diesem Eröffnungsschock sorgt die Bildgestaltung des Films für permanentes Unbehagen: In Anlehnung an den markanten Stil von Stanley Kubricks Stammkameramann John Alcott schwebt die Kamera oft wie ein böser Geist hinter den Figuren her, scheint als eigenständige Entität aufzutreten.

Lanthimos, der sonst oft und auch durchaus treffend mit Haneke und Polanski verglichen wird, legt mit »The Killing of a Sacred Deer« noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Kubrick an den Tag: Wie der britische Auteur ist auch er ganz offensichtlich von Genrefilmen beeinflusst, weigert sich aber, nach deren strengen Regeln zu spielen. War der grandiose Vorgänger »The Lobster« eine absurde Variante dystopischer Science-Fiction, könnte man den neuen Film als Lanthimos' »The Shining« bezeichnen: die Free-Jazz-Version eines klassischen Horrorfilms. Denn hier zieht nun zum ersten Mal so etwas wie das Übernatürliche ein in die surreale Filmwelt des Regisseurs, wenn auch entsprechend uneindeutig und diffus: Als nämlich Stevens kleiner Sohn an einem mysteriösen Leiden erkrankt, das seine Beine lähmt und die Nahrungsaufnahme verunmöglicht, gibt sich Martin plötzlich als der Verursacher zu erkennen – als Rache für die Tötung seines Vaters müsse der Chirurg nun ein Mitglied seiner eigenen Familie umbringen, ansonsten verliere er beide Kinder und Ehefrau Anna (Nicole Kidman) an die einem archaischen Fluch gleichende Krankheit.

Die Dekonstruktion traditioneller Familienstrukturen ist ein Leitmotiv in Lanthimos' Werk: Sein Durchbruchsfilm »Dogtooth« und auch der weniger beachtete »Alpen« parodierten und verzerrten die unheimlichen Machtmechanismen, die innerhalb autoritärer Familien herrschen. So brachial wie in »The Killing of a Sacred Deer« ist er allerdings noch nie vorgegangen; vielleicht wirkt das aber auch nur so, weil der Film deutlich stärker in der wirklichen Welt verankert ist. Zum ersten Mal in Lanthimos' Filmographie wird das Setting klar zeitlich und geografisch verortet, nämlich in den USA der Gegenwart. Zugleich aber ist diese Welt von mythischen Parallelen durchdrungen: Der Titel bezieht sich auf den antiken Mythos der Iphigenie – die Tochter des Königs Agamemnon, die dieser der Göttin Artemis zum Opfer bringen muss.

Das Aufeinandertreffen von profaner, in kühlen Farben entworfener Realität und magischer Bedrohung macht die unbehagliche Stimmung dieses neuen Geniestreichs aus – sowie zugleich, und auch das ist aus Lanthimos' Filmen nicht wegzudenken, den staubtrockenen Humor. Mit Barry Keoghan (»Dunkirk«) hat Lanthimos dafür einen perfekten Darsteller gefunden: Sein mal bizarres, mal angsteinflößendes Gebaren steht im Mittelpunkt dieser Horrorgroteske und sorgt dafür, dass man sich als Zuschauer nie allzu sicher fühlen kann.

Meinung zum Thema

Kommentare

Cineastische hochstapelei. Handlungsebene ist unglaubwürdig, Symbolebene undeutbar u. ohne wissen um die antike vorlage gänzlich sinnlos. Übrig bleiben akustische effekthascherei und visuelle manipulationsversuche. Der schwächste film des griechen!

Schlechte
-Kamara Einstellung
-Hintergrundmusik
-Schauspieler
Komischer Film!
Konnte diesen Film nicht zu Ende sehen.

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