Retrospektive: »Sprengbagger 1010« und »Das Abenteuer einer schönen Frau«

Retrospektive: »Sprengbagger 1010« (1929) und »Das Abenteuer einer schönen Frau« (1932)
»Sprengbagger 1010« (1929). Foto: ZDF/arte

Hier hat die Frau die Hosen an – nicht nur eine, sondern gleich beide Frauen, die etwas übrig haben für den Ingenieur Karl Hartmann. Die eine ist seine Mitarbeiterin Olga, die ihm hilft bei seiner großen Erfindung, der Konstruktion eines riesigen Sprengbaggers. Der hätte seinen idealen Einsatzort in Hartmanns Heimat, wo Hartmann, nach Vollendung seiner Konstruktionsentwürfe, Urlaub macht. Denn dort stößt er auf ein Braunkohlevorkommen, woraufhin sein Chef sofort beginnt, die Ländereien aufzukaufen. Was Hartmann wiederum in Konflikt mit seiner adligen Verlobten Camilla bringt, denn auch deren Land ist betroffen. Wiederholt stehen sich die beiden Frauen gegenüber, beide in Hosen, mit Schlips und kurzen Haaren als Typus der modernen Frau charakterisiert. Doch am Ende sind die Unterschiede ausschlaggebender. Von Hartmanns beschwörenden Worten, »Camilla, Du musst mich verstehen – die Maschine ist meine Welt. Mein Herz aber gehört Dir«, bleibt nur der erste Satz, Camilla wird sich opfern, um die Zukunft frei zu machen für Karl & Olga, die schon wusste: »Wir beide sind der Maschine verfallen. Sie lässt uns nicht mehr los. Wir beide gehören zusammen.«

Triumph der Technik: der imponierend gigantische Sprengbagger gibt gleich den Titel ab für den Film; auch wenn er vermutlich nur eine Studio-(Miniaturmodell-)Konstruktion ist, dürfte Ähnliches zu der Zeit durchaus in den Köpfen herumgespukt haben. Der Film feiert ihn in Untersichten und in Montagen, die seine Maschinenteile in Bewegung zeigen (rastlose Bewegung ist überhaupt eines der hervorstechenden Merkmale des Films, selbst viele der Zwischentitel bewegen sich auf den Zuschauer zu, von der zeitgenössischen Musik Walter Gronostays, die den Bildern zusätzliche Dynamik verleiht, einschließlich eines Chors, der einmal skandiert »Kohle! Kohle!«, ganz zu schweigen). Sein Erfinder, der Ingenieur Hartmann, wird demgegenüber ins zweite Glied verwiesen, nach Fertigstellung seiner Konstruktionszeichnungen kann er »keine Maschinen mehr sehen« und besucht er erst einmal seine Familie in der ländlichen Provinz, lässt es damit sogar auf eine Kündigung ankommen – die Umsetzung des Baus der Maschine nimmt seine Assistentin Olga tatkräftig in die Hand, die die Pläne dem Direktor vorlegt. Sie hinterlässt in ihrer Zielstrebigkeit hier weit größeren Eindruck als der Ingenieur, ein nicht untypischer Protagonist im Film der Zeit, der hier allerdings bei weitem nicht dieselbe Tatkraft ausstrahlt, wie sein Kollege 1933 in der Verfilmung von Bernhard Kellermanns »Der Tunnel«. Der finale Zwischentitel ist ein eindeutiges Plädoyer für den technischen Fortschritt, der »hunderttausenden Brot und Arbeit spendet«, verständlich, schließlich handelte es sich bei dem Regisseur Karl-Ludwig Acház-Duisberg um einen Sohn des I.G.-Farben-Chefs, wie die Broschüre zur Retrospektive verrät. Leider erfahren wir nicht, was es in der – nicht mehr erhaltenen – Premierenfassung, die immerhin 45 Minuten länger war, zu sehen gab. Auf jeden Fall bleibt im Gedächtnis der Verlust, das, was hier für den Fortschritt geopfert wurde. Hartmann hat am Ende nicht nur seine Verlobte verloren, auch seine Großmutter hat die Mühle, seit 300 Jahren im Familienbesitz, lieber in Brand gesteckt, als das Land, auf dem sie steht, zu verkaufen. Kann Hartmann jetzt noch mit Olga glücklich werden?

»Das Abenteuer einer schönen Frau« (1932)

Im Januar 1927 veröffentlichte die Berliner »B.Z. am Mittag« in Fortsetzungen die Reportage, »Herr Ober, bitte einen Tänzer. Aus dem Leben eines Tänzers«, verfasst von dem seinerzeit zwanzigjährigen Reporter Billy (damals noch: Billie) Wilder. Eintänzer waren in jenen Jahren gut aussehende junge Herren, die von den Tanzcafés bezahlt wurden, um mit den (überwiegend älteren) Frauen eine kesse Sohle aufs Parkett zu legen. Abgesehen davon, dass die Figur des Gigolos später in vielen Filmen Wilders eine Rolle spielte, scheint der Begriff damals recht geläufig gewesen zu sein. Jedenfalls sorgt er in dem fünf Jahre entstandenen Film »Das Abenteuer einer schönen Frau« für einen hübschen Gag, den man nicht verstehen kann, wenn man nicht weiß, was ein Eintänzer ist. Da verkündet der Chef eines Boxetablissements nämlich der Bildhauerin Thea Roland empört, »Wir haben hier keine Eintänzer, wir haben Boxer!« Thea ist gerade auf der Suche nach einem Modell für eine Skulptur, hat sich dabei aber offenbar so missverständlich ausgedrückt, dass ihr Gegenüber annehmen musste, sie benötige einen ‚Mann für gewisse Stunden’.

»Das Abenteuer einer schönen Frau«, inszeniert von Hermann Kosterlitz, der wie Wilder 1933 emigrieren musste und in Hollywood als Henry Koster zunächst erfolgreich musikalische Komödien mit dem Universal-Star Deanna Durbin drehte, bevor er seine Karriere zwanzig Jahre später mit dem ersten Cinemascope-Film »Das Gewand« krönen konnte, bietet auch weitere frivole Missverständnisse zum Amüsement des Publikums auf, weiß aber vor allem durch die emanzipierte Frau als Hauptfigur zu überzeugen. Die ist hier Ausdruck der modernen Zeit, die etwa auch in einer Radio-Live-Übertragung von einem gesellschaftlichen Ereignis präsentiert wird, zudem in elegant-stilvollen Interieurs und im Erzähltempo. Einmal folgt die Kamera in einer langen atemberaubenden Sequenz ihrer Protagonistin durch die Straßen Berlins, sie selber auf der Spur des Objektes ihrer (beruflichen) Begierde. Die dialogfreie Sequenz wird unterstützt von einer vorwärtstreibenden, jazzorientierten Musik. Am Ende sucht der verunsicherte Mann Schutz bei einem Schupo – was umso verblüffender ist, da er, britischer Staatsbürger, im Hauptberuf selber Polizist ist. Als sein Berliner Kollege Thea zur Rede stellt, sind die beiden sofort umringt von einer Gruppe Frauen, die mit kessen Sprüchen deutlich machen, dass sie sich von der uniformierten Autorität keinesfalls einschüchtern lassen. Thea selber wird später selbstbewusst verkünden, ihr Kind, Resultat einer Liebesnacht mit dem Polizisten, alleine großziehen zu wollen. Das braucht sie dann doch nicht, es gibt – nach den handelsüblichen Missverständnissen – natürlich ein Happy End. Jerry wird sich damit abfinden, dass sie raucht, schiebt schließlich sogar den Kinderwegen durch die Straßen.

Zuvor gibt es noch viele pointierte Dialoge, nicht nur über high art und low art (er ist nebenbei Boxer, was sie als Sportart erst einmal lernen zu genießen muss); der Zuschauer von heute kann zudem noch einen weiteren Begriff der damaligen Zeit lernen: Flaps (wie Flegel).

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