Retrospektive: »Algol – Tragödie der Macht« (1920)

»Algol – Tragödie der Macht« (1920)

Neben den allseits bekannten Klassikern der Moderne wie »Blade Runner«, »Alien«, »Unheimliche Begegnung der Dritten Art« und »Das fünfte Element« zeigt die diesjährige Berlinale-Retrospektive mit dem deutschen Stummfilm »Algol« erfreulicherweise auch ein Werk, das bisher nur wenigen Filmhistorikern bekannt ist – und das einiges von dem vorwegnimmt, was man bisher mit dem – erst fünf Jahre später in Angriff genommenen – »Metropolis«-Film von Fritz Lang verband.

Inszeniert 1920 von Hans Werckmeister mit Emil Jannings in der Hauptrolle beginnt der Film mit dem Teleskopblick auf einen fremden Planeten, von antiken Sterndeutern »Algol – das Auge des Teufels« genannt. Ein Abgesandter dieses Planeten macht sich an den unzufriedenen Grubenarbeiter Robert Herne heran. Der lehnt klassenbewusst die Einladung zum Gartenfest durch die gerade volljährig gewordene Erbin des Kohlebaus, Leonie, ab und bezeichnet dies als »Almosen«. Für den »Weg zum Licht«, den ihm der Fremde offeriert, allerdings zeigt er sich empfänglich. Wellen vom Algolstern, gebündelt in einer kleinen Maschine (die mit ihren Rädern an einen 8mm-Projektor erinnert), bringen große Energien, ein Jahr Zeit gibt der Fremde Herne, um daraus etwas zu schaffen. Soweit das »Vorspiel«.

Akt I: Ein Jahr später kündet Herne an, am nächsten Tag sein Werk der Öffentlichkeit zu präsentieren – »eine Welt ohne Gruben«, in der alle Energie aus seinen Bios-Werken kommt. »Ihr werdet nicht mehr arbeiten, aber Ihr werdet nicht brotlos…« verkündet er den aufgebrachten Grubenarbeitern. Nicht alle sind darüber glücklich. Seine Jugendfreundin Maria folgt dem gemeinsamen Freund Peter Heller in das Nachbarland, »wo die Menschen hinter dem Pflug leben«. Herne aber heiratet die Kohleerbin.

Akt II: Zwanzig Jahre später sind im »kornbauenden Nachbarland«, dem einzigen, das sich noch nicht Hernes weltumspannenden Imperium angeschlossen hat, die Vorräte erschöpft, man ist gezwungen, Strom bei Herne zu kaufen und damit vor ihm zu kapitulieren. Herne ist damit am Ziel angelangt. »Fluch und Zauber« nennt seine Ehefrau sein Werk, dessen Geheimnis er ihr nicht verraten will, »nur meinem Sohn Reginald«, dem zukünftigen Herrscher. Der allerdings, ein labiler Charakter, verfällt einer fremden Frau, die ihn hinhält – bis er die Macht habe.

Akt III: »Frondienst für Robert Herne« beklagt Marias Sohn Peter, der nach einem Arbeitsunfall aufbricht zu Herne, ihn zu bewegen, »den Strom umsonst zu geben«. Damit gewinnt er zwar die Sympathien von Herrnes Frau (die kurz darauf durch die Algolstrahlen stirbt) und seiner Tochter Magda (die Peter in sein Heimatland folgt), aber der Herrscher bleibt unnachgiebig.

Akt IV: Herrne ist alt und bettlägerig, will aber zum Kummer von Reginald nicht sterben und diesem auch sein Geheimnis (noch) nicht enthüllen. Der wird weiter von der fremden Frau hingehalten: »Ich gehöre Dir erst, wenn die Welt Dein ist.«

Wird Herrne je einsichtig werden? Wird es zum Putsch und zum Vatermord kommen? Oder wird Peter die Maschine zerstören, vielleicht auch an der Spitze der Volksmassen die alte Ordnung stürzen?

Das fantastische Element dient in »Algol« dazu, eine »Tragödie der Macht« (Untertitel) zu erzählen. Der Film verknüpft das mit Geschichten von Vätern und Söhnen, unerfüllter Liebe, Machtgier und sexueller Abhängigkeit, sowie der Frage, wie der gesellschaftliche Fortschritt aussehen soll. Ein Satz wie »Unser Glück ist unsere kleine Scholle« wird bei der Vorführung sicherlich für Lacher sorgen, aber die Idylle im Nachbarland hat auch etwas Unwirkliches. Neues und Altes treffen aufeinander. im Büro Herrnes weisen Wände und Fußboden Muster auf, die höchst modern wirken, die Regierungsmitglieder dagegen tragen Uniformen, die mehr an die von Jannings als Portier in »Der letzte Mann« erinnern, Maschinen und die Arbeit unter Tage kommen eher knapp ins Bild, die Arbeitermassen lassen sich leicht aufwiegeln, aber letztlich auch schnell wieder beruhigen. Es wäre interessant zu wissen, ob Fritz Lang und Thea von Harbou sich davon für »Metropolis« inspirieren ließen.

Vielleicht sind dies aber auch gängige Motive des fantastischen Films in Deutschland, den man immer noch als terra incognita beschreiben muss. Möglicherweise ändert sich das, wenn der Filmhistoriker Rolf Giesen im Herbst den ersten Band seiner historischen Darstellung zu genau diesem Thema vorlegen wird. Das Inhaltsverzeichnis führt für den Zeitraum 1897-1944 jedenfalls fast 200 kurze und lange Filme auf. Überhaupt weckt »Algol« Lust auf die Geschichte des fantastischen Films in Deutschland, anknüpfend an die allererste Retrospektive, die die Kinemathek 1977 für die Berlinale ausrichtete: »Liebe, Tod und Technik« widmete sich damals dem »Kino des Fantastischen 1933-1945«.

Samstag, 11.2., 16.30 Uhr, Cinemaxx 8 (mit Einführung von Stefan Drössler);
Sonntag, 12.2., 16.15 Uhr, Zeughaus Kino

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