Das ist Kunst, das kann nicht weg

Es ist nicht die Aufgabe eines Filmfestivals, auch nicht eines prononciert politischen, das Tagesgeschehen zu reflektieren. Und der gültige Donald-Trump-Film kann ja noch nicht gedreht sein. »Je lauter das Geschrei aus dem Oval Office in Washington ist, desto nachdenklicher sollten wir werden«, hat Berlinale-Chef Dieter Kosslick kürzlich im Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen« gesagt. Tatsächlich wirkt das Programm der Filmfestspiele in diesem Jahr etwas »verinnerlicht«: mit Rückblicken auf die Geschichte, mit Künstlerporträts – darunter der Eröffnungsfilm über den Jazzmusiker Django Reinhardt – und einem deutlichen Schwerpunkt beim europäischen Kino. Zumindest auf der Bären-Schiene, wo nur eine amerikanische Produktion gezeigt wird: Oren Movermans Bestsellerverfilmung »The Dinner« mit Richard Gere.

Stark vertreten in der Konkurrenz sind dagegen die Deutschen. Der renommierte Dokumentarfilmer Andres Veiel (»Black Box BRD«, »Der Kick«) nähert sich in »Beuys« über bisher unveröffentlichte Bild- und Tondokumente dem 1986 gestorbenen Düsseldorfer Meister des Weichen, Warmen und Verwirrenden: Honig, Fett, Filz – ist das Kunst oder kann das weg? Zu kuschlig wird es dabei nicht werden; es treffen sich hier schließlich zwei Intellektuelle. Volker Schlöndorff begibt sich nach seiner inzwischen ein Vierteljahrhundert alten »Homo Faber«-Adaption noch einmal in den Dunstkreis des Schriftstellers Max Frisch: »Return to Montauk« erinnert an Frischs »Montauk«-Roman, basiert aber auf einem Originaldrehbuch des irischen Autors Colm Toíbín; die Hauptrollen spielen Stellan Skarsgård und Nina Hoss. Thomas Arslan schließlich, 2013 mit dem Western »Gold« im Wettbewerb, schickt in »Helle Nächte« mit Georg Friedrich und Tristan Göbel (»Tschick«) ein Berliner Vater-Sohn-Duo auf eine psychologisch schwierige Reise nach Norwegen.

Ebenfalls wieder im Wettbewerb sind zwei Regie-Entdeckungen des Jahrgangs 2013: der Chilene Sebastián Lelio (»Gloria«) mit »Una mujer fantástica« und der Rumäne Călin Peter Netzer (»Mutter und Sohn«) mit »Ana, mon amour«. Zu den Etablierten gehören Aki Kaurismäki mit »The Other Side of Hope« – sein erster Langfilm seit dem schönen »Le Havre« von 2011, Agnieszka Holland (»Pokot«) und Sally Potter (»The Party«). Ein Debütant, aber beileibe kein Unbekannter ist Josef Hader: Der österreichische Kabarettist und Schauspieler, der bei uns zuletzt als Stefan Zweig in »Vor der Morgenröte« zu sehen war, stellt seine erste Regiearbeit »Wilde Maus« vor.

Celebrities werden vor allem auch mit den Filmen außer Konkurrenz und den Premieren in der Reihe Berlinale Special erwartet: Catherine Deneuve und Catherine Frot (»Ein Kuss von Béatrice«), Ewan McGregor (»T2 Trainspotting«), Hugh Jackman (»Logan«). Ein Star von Weltformat schwebt dagegen als Gespenst im Hintergrund. »Der junge Karl Marx« – gespielt von August Diehl im neuen Film von Raoul Peck – gehört zu den Figuren, die der Berlinale im Vorfeld ein erstes inoffizielles Motto bescherten: vom Verlust der Utopien war da die Rede.

»Der junge Karl Marx« (2017). © Neue Visionen Filmverleih

Einen Promi-Coup hat die Berlinale bereits mit dem Juryvorsitz gelandet: Der niederländische Regisseur Paul Verhoeven, ab 16. Februar mit »Elle« im Kino, steht seit Jahrzehnten für Filme, die die Grenzen von E und U sprengen, für Trash, der politisch ist, und Experimente, die unterhalten. Dazu kommen die Schauspielerinnen Maggie Gyllenhaal und Julia Jentsch, der Schauspieler und Regisseur Diego Luna, die Produzentin Dora Bouchoucha Fourati, der Künstler Ólafur Elíasson und der Regisseur Wang Quan'an. 

Zum dritten Mal präsentiert das Festival einen Serien-Schwerpunkt: Auf sechs deutsche und internationale Produktionen wird mit jeweils zwei Folgen ein Vorgeschmack gegeben. Interessant werden könnte »4 Blocks«, eine ganz und gar zeitgenössische Geschichte um arabische Clan-Strukturen in Berlin-Neukölln; Regisseur Marvin Kren hat sich mit den Horrorfilmen »Rammbock« und »Blutgletscher« als Spezialist für kreatives Genrekino empfohlen. Und falls jemand mal gucken will, wie das früher so gemacht wurde: Im Berlinale Special wird Rainer Werner Fassbinders legendäre, fünfteilige TV-Serie »Acht Stunden sind kein Tag« von 1972 in restaurierter Fassung wiederaufgeführt.

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