Kopfstand, Madam!

»Kopfstand, Madam!« (1967). Quelle: Deutsche Kinemathek, © DuMont Filmproduktion und Christian Rischert

»Es scheint verständlich, daß der Zensur dieser gewagte Film der jungen deutschen Welle einiges Kopfzerbrechen bereitet hat«, warb die »Illustrierte Film-Bühne« für Christian Rischerts »Kopfstand, Madam!«, und weiter: »In der Berufung hielt der Rechtsausschuß diese Entscheidung für unhaltbar und gab drei der wichtigsten Szenen [von vier Beanstandungen] für die Aufführung frei.« Was wiederum den Jugendschutzsachverständigen von NRW auf den Plan rief, wird hier doch einerseits die FSK als »Zensur« bezeichnet – was schließlich verfassungswidrig wäre! –, wird andererseits auch mit den gewagten Bildern geworben. Sein Brief an die FSK wie auch die genaueren Beanstandungen, der Widerspruch durch die Produktionsfirma und das endgültige Verdikt finden sich im Retro-Begleitband: Die Bildeinstellung, »wenn der auf dem Bauch liegende Mann unter den Bademantel der vor ihm stehenden Frau kriechst, ist so kraß sexualbezüglich und für das Empfinden eines erhelblichen Teils der Kinobesucher anstößig, daß sie das sittliche Empfinden verletzt.«

Ja, man sieht Nacktheit. Man sieht Zärtlichkeit. Interessanterweise: Zärtlichkeit unter Ehebrechern. Mit ihrem Mann Robert kann Karin nicht einmal vernünftig reden. Wohlstand gilt als Rechtfertigung für die Entrechtung der Frau. Darum geht es: Dass Karin wieder arbeiten möchte. Dass Robert das verhindern kann, weil er es darf. Schließlich hat sie es doch gut! Und würde sie die Arbeit nicht von ihrer siebenjährigen Tochter entfremden? Nicht nur ihr Mann redet so. Babies werden angepriesen als Mittel, Frauen so zu beanspruchen, dass sie abends müde ins Bett fallen; dann lädt sie keine Gäste mehr ein, die das eheliche Zusammensein stören. »Frau Vera« antwortet so auf eine Leserfrage in der Zeitschrift, und höchstwahrscheinlich ist das ein Originalzitat von damals: ebenso wie der Ratschlag an alle Frauen, Zurückhaltung zu wahren und den Ehegatten niemals an Witzigkeit zu übertreffen.

Mit »Kopfstand, Madam!« tun wir einen tiefen Blick in die Welt vor 50 Jahren. Frauenbewegung ist noch Jahre entfernt. Gleichberechtigung, da ist sich Robert sicher, lässt sich niemals verwirklichen. Warum auch? Frauen haben es doch gut, wenn der Mann alles für sie tut. Karin hat einen Geliebten, einen Untergebenen ihres Mannes. Vielleicht ahnt der sogar was, ist ihm aber lange nicht so wichtig wie die Frage, ob die Gattin wieder als Dolmetscherin arbeiten darf. Von Ulrich kann sich Karin ein bisschen bestätigt fühlen. Sie darf auch nackt auf ihm liegen, eine der FSK-Beanstandungen (die dann wieder zurückgezogen wurde); immerhin: »Drei Mitglieder [des Prüfungsausschusses] hatten keine Bedenken, da hier die Emanzipation der Frau symbolisch zum Ausdruck gebracht werde.« Dass sie wieder arbeiten will, findet er gut. Es betrifft ihn ja nicht. Später beginnt er mit den Sprüchen: »Ich könnte mir Frauen denken, die hingebungsvoller sind. Eine liebende Frau ist die nehmende.« Und so weiter. Wie Robert nennt er sie nun »Baby« oder »Kindchen«; nicht mehr das englische »Madam«.

Robert hat übrigens durchaus Gefühle. Dass seinem Freund Heinz das Töten und Ausnehmen eines Hechts so viel Spaß macht (»Komisch, mich macht so was geil!«), mutet ihm merkwürdig an. Verständnis aber hat er nicht. Die Frau muss nun mal innerhalb ihrer Möglichkeiten bleiben. Die sind begrenzt; und wenn diese Grenzen überschritten werden, dringt die Frau in den Bereich des Mannes ein und verliert das, was sie schützen wollte, und was sie interessant macht: Ihre Weiblichkeit. »Ich brauch dich so wie du mal warst.« Doch das wird nicht mehr herzustellen sein; zumal zwei Jahre vor '68.

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