Vielleicht doch nicht vergeblich

»Red Hollywood« (1996-2013)

Die Kuratoren der damaligen Retrospektive waren Thom Andersen und Noel Burch, deren Film »Red Hollywood« Ende September im Arsenal läuft. (Wie ich dem Programm entnehme, haben sie ihn 2013 noch einmal überarbeitet.) Burch selbst war ein unmittelbar Betroffener: Seine akademische Karriere war ebenfalls der Kommunistenjagd zum Opfer - was daran gemahnt, dass Hollywood nur die publicityträchtige Speerspitze einer Kampagne war, in deren Verlauf das Nachkriegsamerika mit den progressiven Ideen der Roosevelt-Ära aufräumte. Zur gleichen Zeit gerieten eben auch Wissenschaftler, Ärzte, Kirchenvertreter, Bundesbedienstete und Militärs ins Visier des FBI. Die Verfolgung all dessen, was liberal war und sich als kommunistisch geißeln ließ, war zwar nicht präzedenzlos in der US-Geschichte, das Ausmaß der Hysterie schlug aber ungeahnte Volten; immer im Schlepptau der innen- und außenpolitischen Erschütterungen, denen sich die USA nach dem Verlust des Atommonopols ausgesetzt sahen.

In »Red Hollywood« rekapitulieren Anderson und Burch, weshalb die Studios, die sich in einer tiefen Krise befanden, rasch zum Schulterschluss mit dem dubiosen Washingtoner Untersuchungsausschuss gegen unamerikanische Umtriebe bereit waren. Im berüchtigten »Waldorf Statement« verpflichteten sie sich im November 1947, fortan keine Kommunisten mehr zu beschäftigen; Vertragsbrüche mit Verdächtigen wurden zur moralischen Notwendigkeit erklärt. Freunde und Kollegen verrieten die Helden amerikanischer Kriegsfilme nicht einmal unter Folter, ein halbes Jahrzehnt später war das Nennen von Namen zur Patriotenpflicht geworden; eine jener symbolischen Gesten, auf die Hollywood sich gut versteht.

Andersons und Burchs Befund einer eigenen Ästhetik des Blacklist-Kinos hat mich vor 18 Jahren nicht völlig überzeugt. In vielen Filmen blieb die Thesenhaftigkeit unvermittelt mit der filmischen Kurzschrift des Kinos. Die Autoren vertrauten ihre Ansichten eher schwerfälliger Symbolik und ungelenk didaktischen Appellen an. Das Bestehen auf einer sozialen Determination des Verbrechens wird oft um den Preis einer Entmündigung der Figuren dramatisiert, die arg- und widerstandslos in ihr Verderben schlittern. Was jedoch auch die Berliner Filmauswahl deutlich vor Augen führt, ist der Bruch mit Traditionen, der den »Blacklistees« gelang.

Bis zum Kriegsende waren sozialkritische Filme hauptsächlich von konservativen Regisseuren wie Mervyn LeRoy oder Frank Capra gedreht worden und mündeten meist in quallige Botschaften von menschlicher Güte und Verständnis. Die linken Filmemacher reagierten scharfsichtiger auf die drängenden Fragen der Zeit: Re-Integration der Kriegsveteranen, Arbeitslosigkeit, Rassismus, das fatale Kreditsystem. Sie waren die Ersten, die Streiks in einem positiven Licht zeigten, den Spanischen Bürgerkrieg und die Existenz von KZs zum Thema machten (weshalb sie später eines »voreiligen Antifaschismus« bezichtigt wurden.)

Eine derart flammende Anklage gegen die Verschwörung von Politik und Großindustrie wie in »Native Land« (1942) konnte nur unabhängig von Hollywood produziert werden; obgleich Leo Hurwitz' und Paul Strands Dokumentarfilm sich als patriotische Geschichtslektion gibt. Die Darstellung der Arbeitskämpfe der 30er macht ihn zugleich zu einem Schlüsselfilm, denn die Kommunistenjagd diente den Studios auch als Waffe, um den Einfluss der Gewerkschaften zu brechen. In Studio-Produktionen ließen sich radikale Ideen nur als Schmuggelware einschleusen: Die Konsequenz, mit der Abraham Polonsky in »Force of Evil« (1948) das organisierte Verbrechen als Vollendung des Kapitalismus schildert, war auf den ersten Blick deckungsgleich mit der bewährten Ikonografie des Gangsterfilms.

Die blacklist-Filme rühren an den neuralgischen Punkt des US-Selbstverständnisses, der Ideologie von Eigenverantwortung und Individualismus. Der ausweglose Existenzialismus des Film Noir, der im Nachkriegskino düstere Schatten auf das amerikanische Glücksversprechen warf, war hierfür ein willkommener Rahmen, und zugleich ein Terrain der Abweichung. Die Helden ihrer Filme sind nicht einfach Opfer eines umfassenden Verhängnisses. Sie begehren vielmehr auf gegen die gesellschaftliche Logik. Ein weiterer Durchbruch, den die Berliner Auswahl noch vertieft, sind die aufgeklärter gezeichneten Frauenfiguren. »I can get it for you wholesale« (Drehbuch Abraham Polonsky, Regisseur Michael Gordon drehte später »Bettgeflüster« und dergleichen) bescherte Susan Hayward eine ihrer besten Rollen. Und »Thieves' Highway« von Jules Dassin entzerrt entschieden das Bild der Femme fatale, die selbst Opfer der Konsumkultur ist, die Erfüllung ihrer Wünsche eben nur entschlossener und zielstrebiger verfolgt als die Männer. Dazu hätte die Zeitzeugin Marsha Hunt sicher Erhellendes sagen können; Norma Barzman ebenso. Beide leben noch, sind aber stolze 101 respektive 97 Jahre alt. In Berlin treten keine Überlebenden mehr auf, dafür gibt es jedoch hochkarätige Gäste, die in Filme einführen, darunter die New Yorker Filmemacherin Gina Telaroli und Chris Fujiwara, einer der besten Kenner des klassischen und unklassischen Hollywoodkinos. Die Filme laufen übrigens als 35mm-Kopien, etliche davon in restaurierten Fassungen.

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