Rosebud

Es ist knapp einen Monat her, dass ich Orson Welles' nachgelassenen Film »The Other Side of the Wind« sah, um ihn für diese Zeitschrift zu besprechen. Seither habe ich einige Texte gelesen von Kritikern, denen er mehr sagte als mir; namentlich die gründliche, auch brillante Analyse Richard Brodys im "New Yorker". Mich elektrisieren die Darstellungen von John Huston und Peter Bogdanovich zwar immer noch nicht, auch viele der Dialoge klingen für meine Ohren nach wie vor abgedroschen.

Aber meine Bereitschaft ist seither gewachsen, den visuellen, thematischen und biographischen Reichtum des Films anzuerkennen. Ich will zwar nichts zurücknehmen von dem, was ich schrieb. Die Bilanz jedoch, die ich im letzten Satz ziehe – dass er ein Phantomfilm bleibt -. sehe ich nun aus einem anderen Blickwinkel. In den letzten Wochen hat mich doch ein Gefühl der Genugtuung ergriffen, dass der Film irgendwie fertig ist. Welles' Traum mag nicht ganz ausgeträumt sein, aber er hat einen Abschluss gefunden. Norman Foster drückt das ganz toll, wunderbar trotzig und stolz, am Ende des Trailers aus: Nun ist er da, seht zu, was ihr mit ihm anfangen könnt!

Verflixt, in Welles Karriere ging so viel schief, blieb so vieles in Anfängen oder halber Ausführung stecken (gleichviel, ob aus eigenem Hochmut – das Scheitern als letzten Zuflucht des Genies - oder wegen der Widerstände des Systems), aber diesmal hat er dem Lauf der Dinge doch ein Schnippchen geschlagen! Die existenzielle Krise, von der ich auftrumpfend in meiner Kritik spreche, hat er vielleicht schon beim Drehen gemeistert. Hätten sich der Fertigstellung des Schnitts und der Nachsynchronisation nicht so viele bizarre Hürden in den Weg gestellt, gälte dies umso mehr. Nach dem Lesen von Brodys Artikel habe ich zudem den Eindruck gewonnen, mit »The Other Side of The Wind« würde sich Welles' Karriere abrunden: Sein letzter Film knüpft emphatisch an seinen ersten an; denn auch »Citizen Kane« gibt sich ja bereits den Anschein eines dokumentarischen Porträts einer überlebensgroßen Figur. Vielleicht erging es mir beim Sehen seines filmischen Vermächtnisses ja so wie den Reportern, die den Schlüssel zu Charles Foster Kanes Leben nicht finden können.

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