In fremden Zungen sprechen

»Foxtrot« (2017). © NFP

Es lässt sich schlechterdings nicht vermeiden, dass bei der Synchronisation eines Films wichtige Details oder gar Bedeutungsebenen auf der Strecke bleiben. Für Kritiker stellen solche inhaltlichen oder atmosphärischen Reibungsverluste ein ziemliches Dilemma dar: Welche Version sollen wir nun besprechen, das Original oder die deutsche Fassung?

Für die erste Variante spricht, dass sie dem Kunstwerk den Vorrang einräumt. Für die zweite, dass sie sich am Publikum orientiert, das zum Großteil vermutlich die Synchronisation sehen wird. Eine zusätzliche professionelle Komplikation liegt in der Frage, ob man die Leser über Veränderungen oder Verfälschungen aufklären soll, die bei der sprachlichen Adaption entstanden sind. Was hätten sie davon, ärgern sie sich am Ende vielleicht nur über dieses vergebliche Mehrwissen? Ich persönlich bin dafür, einen Film in seiner ursprünglichen Fassung zu würdigen und gehe geflissentlich das Risiko ein, den auch mal Leser zu verdrießen.

In dieser Woche startet der großartige israelische Film »Foxtrot« von Samuel Maoz, der die bekannte Problematik um eine unverhoffte Variante erweitert. Ich habe ihn ausnahmsweise in der Synchronfassung gesehen. Dabei ist mir ein entscheidender Aspekt entgangen, denn eine Figur steht hier unter ganz anderen Vorzeichen als im Original. Er musste es zwangsläufig; dem Autor des Textbuches lässt sich das schwerlich ankreiden und auch der Synchronregisseur hätte das nicht verhindern können.

Als Michael (Lior Ashekenazi) seine demente Mutter (Karin Ugowski) im Pflegeheim aufsucht, um ihr vom Tod ihres Enkels zu berichten, entspinnt sich ein Dialog zwischen ihnen, der zwischen Klarheit und Abwesenheit changiert. Im Original weist er noch eine weitere Diskrepanz auf, denn die Mutter spricht Deutsch: Sie ist eine Überlebende der Shoah. Dem Trauma der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft, das Maoz verhandelt, fügt er eine historische Dimension hinzu. Da ihr Sohn sie versteht, fiel mir beim Sehen des Films diese bezeichnende Abweichung nicht auf. In deutschen Synchronisationen der restaurativen Nachkriegszeit wurden solch unliebsame Spuren häufig bewusst verwischt; hier geschieht es für einmal ganz absichtslos.

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