Die Schlacht des Jahrhunderts

Noel Godin

Luis Bunuel und Jean Claude Carrière versuchten, in jedes Drehbuch eine Tortenschlacht einzubauen, was ihnen aber nie gelang. Carole Lombard wiederum blieb auch dann noch elegant, wenn sie von einer Torte ins Gesicht getroffen wurde. Aus dem Kino ist sie weitgehend verschwunden. Die Apfeltorte in »American Pie« dient einem anderen komödiantischen Zweck.

Der belgische Künstler Noel Godin hingegen hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, berühmte Zeitgenossen, die sich selbst zu ernst und wichtig nehmen, mit wurfbereiten Torten aufzulauern. Wenn man sich die Liste seiner Opfer an sieht – Bill Gates, Bernard Henri-Lévy (gleich mehrmals) –, kann man schwerlich behaupten, sie würden die Falschen treffen.

Wenn es nach dem Babylon in Berlin geht, soll die Tortenschlacht heute Abend ein großes Comeback im Kino feiern. Zum Auftakt der Laurel & Hardy-Reihe, die das Filmtheater bis zum 28.6. zeigt, hat es mutige Kombattanten aufgerufen, die sich heute um 16 Uhr an einer beteiligen wollen. (Womöglich ist es noch nicht zu spät, sich dazu anzumelden: tortenschlacht@babylonberlin.de). Zwar wies der Kurator der Reihe, Christian Blees, im letzten Herbst noch ausdrücklich darauf hin, wie wenige Torten tatsächlich in den Filmen des Komiker-Duos vorkommen (siehe meinen Eintrag »Lachen und Lernen« vom 30.11.14). Andererseits versteht sich das Kino prächtig auf Publicity und Marketing. Anlässlich einer Francesco-Rosi-Retrospektive ist es ihm schließlich unlängst sogar gelungen, den Italiener zu einem "Kultregisseur" zu erklären.

Der Irrtum, die zwei Komiker würden andauernd auf dieses Requisit zurückgreifen, ist allerdings wohlbegründet. Immerhin hat Leo McCareys »The Battle of the Century«, in dem gleich 3000 Torten zum Einsatz kamen, von all ihren Filmen mit den stärksten Eindruck hinterlassen. Es dürfte, trotz eifriger Anstrengungen von Blake Edwards bei »Das große Rennen um die Welt«, noch immer die längste Tortenschlacht der Filmgeschichte zelebrieren. Die Filmreihe zum 125. Geburtstag Stan Laurels hat auch darüber hinaus viele Attraktionen zu bieten, nicht zuletzt Mehrsprachenversionen, in denen man die Zwei auf deutsch, französisch und spanisch plaudern hört. Ihre anhaltende Popularität (auch in England laufen zur Zeit vielerorts Retrospektiven und kommen einige ihrer Filme regulär wieder ins Kino) ist ein Phänomen, auf das ich mir noch keinen rechten Reim machen kann. Ich habe vor, an dieser Stelle irgendwann weitere Überlegungen anzustellen. Momentan beschäftigt mich die Frage, ob es daran liegt, dass sie sich nicht allein der Tücke des Objekts und sonstigen Widrigkeiten des Lebens stellen müssen. Der schöne Essay, den Michael Hanisch ihnen vor etlichen Jahre widmete, heißt dementsprechend ja auch »Solidarität durch dick und dünn«. Vielleicht bringt mich die nochmalige Lektüre von Kurt Vonneguts Roman »Slapstick« ja auf die richtige Spur, der hier zu Lande den Zusatz-Titel »Nie wieder einsam« trägt. Er fand, in ihren Filmen stecke irgendwo auch eine furchtbare Tragödie verborgen, sie seien einfach zu "sweet", um in dieser Welt zu überleben und könnten so leicht im Trubel ihrer Abenteuer zu Tode kommen. Im Vorwort zu »Slapstick« habe ich mir vor langer Zeit folgende Zeilen unterstrichen: »Ich glaube, der springende Punkt bei Laurel und Hardy ist, dass sie in jeder Situation ihr Bestmögliches gaben. Was sie auch taten, immer haderten sie treuherzig mit ihrem Schicksal.«

Bevor ich Sie Ihrerseits nun ins Schwärmen oder Philosophieren über die Zwei entlasse, will ich nur noch kurz zu Jean-Claude Carrière zurückkehren. Zusammen mit dem betagten, aber noch immer fidelen Komiker Pierre Étaix plant er ein Remake von »The Battle of the Century«. Heute jedoch, meinen sie, müsste man die Schlacht mit echten Waffen führen.

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