Kritik zu Magic Mike

© Concorde

Steven Soderbergh in Höchstform: Aus der Genregeschichte über einen Neuling, der ins Stripper-Showgeschäft eingeführt wird, macht er eine Studie über das Sich-Durschlagen in den USA der Gegenwart

Bewertung: 4
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3 (Stimmen: 1)

Zunächst muss man den Gedanken an ein Remake wegdrängen: Nein, Magic Mike hat gar nichts mit Ganz oder gar nicht zu tun. Trotz ein paar struktureller Ähnlichkeiten wie Wirtschaftskrise und männlichen Strippertums. Wo Peter Cattaneos britisches Feelgoodmovie von 1997 das Thema mit dem Akzent auf der Frage nach dem Mut zur Selbstenblößung verhandelte, ist der Strip-Akt bei Soderbergh etwas völlig Geheimnisloses, eine Show, ein Business, nicht mehr und nicht weniger. Diese trockene Herangehensweise macht es möglich, dass in Magic Mike sehr viel mehr sichtbar wird als ein paar Waschbrettbäuche – selten hat man das prekäre Wirtschaften im krisengeschüttelten Amerika so »nackt« präsentiert gesehen

Der nüchterne Ton, den Magic Mike von Beginn an anschlägt, rührt auch daher, dass der Film auf wahre Begebenheiten zurückgeht: Channing Tatum, der hier die Hauptrolle spielt und als Produzent beteiligt ist, ließ fürs Drehbuch eigene Erlebnisse verarbeiten. Wie die zweite Hauptfigur im Film, Adam (Alex Pettyfer), brach Tatum selbst sein College-Studium nach einem Jahr ab, um nach Tampa, Florida zurückzukehren und als Stripper zu jobben.

Die echten Erfahrungen von Tatum hat Autor Reid Carolin wiederum ins Gerüst einer vertrauten Genreerzählung eingearbeitet – die vom Neuling im Showbusiness, der von einem älteren Star in die Geheimnisse des Gewerbes eingeführt wird und seine Unschuld verliert. Den Neuling Adam spielt Burberry-Model Pettyfer als interessante James-Dean-Variante: Das gute Aussehen ist eine Fassade, hinter der gefährliche Mengen an Trotz und Unwillen hervorblitzen. Bei einem Job als Dachdecker fällt er dem Vorarbeiter Mike (Tatum) auf – durch sein Ungeschick. Statt ihm Vorwürfe zu machen, greift Mike Adam unter die Arme. Als Zuschauer denkt man zunächst, das geschehe aus reiner Solidarität heraus, doch im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass Mike bereits so etwas wie einen Plan für Adam hat.

Mike selbst ist ein Mann mit vielen Talenten: Tagsüber arbeitet er als Dachdecker, nachts als Stripper, und dazwischen poliert er auch noch Autos auf Hochglanz. Die Dreifachschicht soll ihn seinem eigentlichen Traumjob näherbringen: Er will ein Geschäft für seine selbst entworfenen Möbel eröffnen, die er aus Schrott und Holz herstellt. In einer Schlüsselszene des Films sieht man ihn mit einer Bankangestellten um einen Kredit verhandeln. Doch all sein Charme, sein selbstbewusstes Auftreten, seine versierten Antworten und der richtige Anzug nützen ihm nichts. In »this economy« hat einer wie er keine Chanceauf einen Kredit. Den Frust darüber lässt sich Mike kaum anmerken, wobei gerade in dieser Haltung die Zustände besonders gut auf den Punkt gebracht sind: Wer sich so durchschlägt wie Mike, kann es sich nicht leisten, den Niederlagen groß nachzuhängen.

Soderbergh, der hier sowohl Regie führt als auch unter den Pseudonymen Peter Andrews und Mary Ann Bernard die Kamera und den Schnitt übernahm, versteht es, solchen Szenen die Plakativität der wohlfeilen Zeitkritik zu nehmen. Überhaupt inszeniert Soderbergh hier mit versierter Beiläufigkeit, die den Figuren ihren Raum lässt für Ambivalenzen und Unsicherheiten. Die Kamera folgt ihnen oft in Dokumentarmanier oder funktioniert an anderer Stelle wie ein schweifender, schneller Blick. Sie insistiert selten.

Aufgebrochen wird die Beiläufigkeit allerdings in den Szenen, die die Auftritte der Stripper zeigen. Mike nimmt Adam eines Abends nur scheinbar ohne Hintergedanken einfach mit. Zunächst auf einen Drink in eine Bar, wo er den 19-Jährigen in geschickter Weise als Lockvogel für weibliche Kundschaft einsetzt. Die nämlich sollen ihnen nach nebenan folgen, in den Club »Xquisite«, wo der exzentrische Dallas (Matthew McConaughey) die Truppe von männlichen Strippern anführt, zu der auch Mike gehört. Adam soll dort zunächst nur hinter den Kulissen mitarbeiten, als eine Art Garderobenjunge. Doch kaum dass er sich versieht, wird er von Mike auf die Bühne geschubst, wo er sein Potenzial zeigt und folglich von Dallas angeheuert wird. Die Stripperszenen filmt Soderbergh mit ganz eigener Intensität: Man spürt den Spaß, den hier die Männer vor und hinter der Kamera haben, wobei immer wieder auch die Momente der Peinlichkeit aufscheinen. Einzig McConaughey überschreitet dabei mit derihm in letzter Zeit so eigenen Lust an der Exzentrik die Grenze zum Bizarren.

Obwohl die Clubszenen ganz offenbar als Lockstoff und Augenschmaus des Films fungieren sollen, sind es letztlich die Szenen drum herum, die sehr viel nachhaltigeren Eindruck machen. Da gibt es die Garderobenaufnahmen im John-Cassavetes-Stil, die die Stripper als sich schminkende, keifende Diven zeigen. Man erfährt erstaunlich Detailliertes über die Ökonomie des Ganzen und die Verteilung der Einnahmen. Und dann gibt es noch eine ganz wunderbar lakonische Liebesgeschichte, die umso romantischer wirkt, weil so gut wie nichts ausgesprochen wird.

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