Der folgende Artikel stammt aus dem epd-Archiv, wir bitten die reduzierte Darstellungsweise zu entschuldigen
  Zizek!

Astra Taylors Dokumentation über den Philosophen und Kulturkritiker

Manfred Riepe


© Fotos: Zeitgeist Films

Fällt der Name Slavoj Zizek, dann denkt wohl niemand an die hübsch gestaltete Zeitschrift „Wo Es war“, die der Slowene 1986 noch mit jugoslawischen Staatsgeldern drucken ließ (und die mehr Tippfehler als Buchstaben hatte). Seine Aufsätze waren die originellsten, er vermählte Hitchcock mit Lacan und Hegel mit Philip Marlowe. Doch selbst 1991, als ich ihn zu einem Vortrag nach Frankfurt holte, war nicht abzusehen, dass Zizek bald weltweit populär werden würde – und zwar fast ausschließlich bei einem Publikum, das Psychoanalyse für Quatsch hält. Diesen Widerspruch, der das Phänomen Slavoj Zizek ausmacht, bekommt Astra Taylor in ihrem Dokumentarfilm über den Slowenen leider nicht in den Blick. Die Dokumentaristin, ein hippes Girlie, das wie ein Philosophie-Groupie wirkt, begleitet den Turbodenker auf Vortragsreisen, sitzt neben ihm in Restaurants und filmt ihn in seiner Wohnung in Ljubljana. Sie unterbricht ihn nie. Mit Ausnahme einer einzigen Szene, in der Zizek schweigend im Aufzug steht, hören wir ihn reden, reden, reden. Vieles von dem, was er sagt, ist interessant und blitzgescheit. Doch irgendwann ist es zu viel. Man möchte diesem nervösen Catweazle der Dialektik – der sich wahrscheinlich nur deswegen nicht den Bart schert, weil er in dieser Zeit noch schnell ein Buch schreiben könnte – zurufen: Halt doch mal die Klappe!

Genau diese filmische Geste, Zizek einmal nicht als talking head zu zeigen, gelingt der Regisseurin nicht. Wird nicht geredet, dann werden Zizeks Hauptthesen eingeblendet auf stilisiert vergilbten Buchseiten, die aussehen wie Papyrusrollen. Selbst wenn er zu Hause die Strategie der Playmobil-Schlacht seines kleinen Sohnes erläutert, verliert er nicht dieses atemlose Stakkato, in dem eine Instantdeutung die nächste erschlägt.

Zizek!, der Film, arbeitet sich am Oberflächenphänomen ab. Es gibt keinen intimeren Moment, in dem wir einen Zizek sehen würden, der nichts für die Öffentlichkeit produziert. Zizek ist der Mann ohne Alltag; selbst im Hotelbett spricht er über seine Liebe zu Sophia (dabei ist die Philosophie Zizeks nicht wie üblich eine Dame ohne Unterleib). Vom kurzen Filmausschnitt einer TV-Diskussion zur Zeit seiner Kandidatur für das Amt des slowenischen Präsidenten abgesehen, erfahren wir auch nichts über seine Herkunft und Vergangenheit. Freunde und Bekannte kommen ebenso wenig zu Wort wie Kritiker.

Das eigentliche Phänomen Zizek – das darin besteht, dass ein slawisch sprechender Denker mit Bezugnahme auf Freud und den deutschen Idealismus über den Umweg einer französischsprachigen Lacan-Lektüre in den angelsächsischen Ländern als Starphilosoph gefeiert wird – bleibt im Dunkeln. Der Film zeigt Zizek als sprudelnde Sprechquelle, doch die Wurzel seiner Inspiration in Lacans Freud-Relektüre bleibt schemenhaft.

Wirklich interessant ist nur der kurze Moment, in dem der als blendender Stilist gefeierte Zizek selbstironisch erklärt, wie er seine unüberwindbare Schreibblockade austrickst: Zunächst sagt er sich: „Ich mache nur ein paar Notizen.“ Quellen diese über, heißt es: „Jetzt muss ich nur noch überarbeiten – das eigentliche Schreiben findet nicht statt.“ So erklärt sich vielleicht sein kabarettistischer Stil, der mit aneinandergereihten Anekdoten und Pointen das Publikum unterhält – das nicht so genau weiß, warum und worüber es staunt und lacht. Aber so war es bei seinem Lehrer

Jacques Lacan schließlich auch. Mit dem Unterschied, dass Zizeks mal populärer, mal populistischer Stil mitunter das beste Argument ist, sich nicht inhaltlich mit ihm auseinanderzusetzen (was aber auf jeden Fall lohnenswert ist). 

Der Dokumentarfilm folgt der innerhalb seiner Gattung gerade modischen Direktive: Lasst sie nur reden! Das fällt dem Protagonisten nicht schwer, und deshalb ist Zizek! ein Talking-head-Film auf Speed, distanzlos und leider etwas monoton.

USA/Kanada 2005. R: Astra Taylor. K: Jesse Epstein, Martina Radwan. Sch: Laura Hanna. M: Jeremy Barnes T: Laura Hanna. K: Jesse Epstein, Martina Radwan. P: Lawrence Konner Pg: Hidden Driver Productions, The Documentary Campaign. V: Zeitgeist Films. L: 71 Min. Da: Slavoj Zizek (als er selbst).

epd Film 7/2007



Start: 27.4. (D)